Eignungsprüfung – für den Reiter?
- Heike Gottschling-Wulf
- 13. Feb.
- 3 Min. Lesezeit

Ein Reiter sollte sich fragen, ob er nicht nur körperlich, sondern auch mental und emotional bestens für den Umgang mit Pferden geeignet ist. Während Pferde regelmäßig einer Eignungsprüfung unterzogen werden, um ihre Veranlagung, ihren Charakter und ihre Leistungsfähigkeit zu bewerten, bleibt oft unberücksichtigt, wie gut der Reiter sich selbst kennt und seine Emotionen steuern kann. Genau diese Selbstkenntnis bildet den Schlüssel zu einem harmonischen und erfolgreichen Miteinander mit dem Pferd.
Stellt man sich vor, ein Pferd durchläuft einen Test, bei dem seine Grundgangarten, Rittigkeit, Sprungvermögen und Gesundheit genau unter die Lupe genommen werden – wie wäre es, wenn auch Reiter einer Eignungsprüfung unterzogen würden, jedoch mit einem anderen Schwerpunkt? Bei dieser Prüfung stünde nicht allein die Technik im Vordergrund, sondern vor allem das Bewusstsein für die eigenen Emotionen und Fähigkeiten sowie deren gezielte Beherrschung.
Der erste Schritt in diesem inneren Prüfprozess ist die Selbstbeobachtung. Es gilt, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu erkennen, wie sie das Verhalten beeinflussen. Ein bewusster Reiter weiß, dass das Pferd ein Spiegelbild seiner inneren Verfassung ist. Wenn in Stresssituationen die Kontrolle verloren geht oder negative Emotionen überhandnehmen, wirkt sich dies unmittelbar auf das Reiten und die Kommunikation mit dem Pferd aus. Es ist entscheidend, innezuhalten und sich zu fragen, welche Gefühle das Handeln steuern und welche Ängste oder Unsicherheiten mitschwingen, wenn man neben dem Pferd steht oder im Sattel sitzt. Die Beantwortung dieser Fragen ist der erste Schritt zu einer umfassenden Selbstkenntnis.
Ebenso wichtig wie die Kontrolle über die eigenen Emotionen ist das tiefe Verständnis für die persönlichen Fähigkeiten und Grenzen. Es reicht nicht aus, nur ruhig zu bleiben; ein Reiter muss auch seine Stärken und Schwächen kennen. Dieses Selbstverständnis ermöglicht es, realistisch einzuschätzen, was geleistet werden kann und wo die eigenen Grenzen liegen. Gerade im Reitsport, wo die Sicherheit von Mensch und Tier auf dem Spiel steht, ist es unerlässlich, sowohl emotional stabil zu sein als auch die eigene Leistungsfähigkeit genau zu kennen.
Eine Eignungsprüfung für den Reiter könnte theoretische Aspekte beinhalten, bei denen das Wissen über Pferde, deren Körpersprache und Pflege abgefragt wird. Praktische Elemente würden den sicheren Umgang am Boden und im Sattel prüfen. Doch im Mittelpunkt steht die Selbstbewertung – die Bereitschaft, kontinuierlich dazuzulernen und sich auch mit den eigenen Schwächen auseinanderzusetzen. Nur wer sich seiner Stärken und Schwächen bewusst ist, kann sich gezielt weiterentwickeln und eine harmonische Beziehung zu seinem Pferd aufbauen.
In Zeiten, in denen Leistungsdruck und Selbstzweifel allgegenwärtig sind, gewinnt diese Selbstreflexion noch an Bedeutung. Es reicht nicht, nur technisch einwandfrei zu reiten; vielmehr kommt es darauf an, authentisch zu sein und den Mut zu haben, an sich zu arbeiten. Wahre Eignung zeigt sich nicht nur in der reinen Leistung, sondern auch darin, wie Herausforderungen gemeistert werden. Die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren und auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, bildet das Fundament für langfristigen Erfolg und Freude im Reitsport.
Letztlich wäre eine Eignungsprüfung für den Reiter als ein Prozess der Selbstentdeckung zu verstehen. Sie regt dazu an, die inneren Ressourcen zu aktivieren und sich selbst treu zu bleiben. Mit klarem Kopf und offenem Herzen den Herausforderungen des Reitsports zu begegnen, schafft die Grundlage für eine erfolgreiche und erfüllende Partnerschaft mit dem Pferd. Der Weg zu einem selbstbewussten, sicheren und erfolgreichen Reiter ist nicht immer einfach, doch wer sich seiner selbst bewusst ist und kontinuierlich an sich arbeitet, erlebt immer wieder aufs Neue die Freude und Magie des gemeinsamen Reitens.
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